Neurologische Symptome

Zu den auffälligsten Krankheitszeichen eines Huntington-Patienten gehören die eingangs genannten choreatischen Bewegungen, also plötzlich auftretende, schnelle, eckige, sich wiederholende, unkontrollierbare und überschießende Bewegungen eines oder mehrerer Muskeln, ganzer Extremitäten oder des gesamten Rumpfes, die ohne den Willen des Erkrankten auftreten. Tic-artige Muskelzuckungen wie Augenzwinkern (nicht mit dem physiologischen Lidschlag zu verwechseln), Mundverzerrungen, ruckartige Kopfdrehungen, plötzliche Bewegung einzelner oder mehrerer Finger, der Zehen oder Füße können die ersten Anzeichen dieser Krankheit sein. Allerdings kennt man bei Menschen, die nichts mit der Huntington-Krankheit zu tun haben, ähnliche Tics. Diese Bewegungen fallen zunächst nur wenig auf, häufig zuerst den Familienmitgliedern, Freunden oder Kollegen am Arbeitsplatz. Der Betroffene nimmt sie selbst nicht wahr, verleugnet sie oder erklärt sie mit Nervosität oder Unruhe.

Anfangs ist es möglich, dass diese übertriebenen und ungewollten Bewegungen in scheinbar sinnvolle Bewegungsabläufe eingebaut werden. So entsteht beispielsweise eine für den Beobachter übertrieben wirkende Gestik. Mit fortschreitender Krankheit, d.h. je mehr Hirnzellen absterben, verstärken sich diese Anzeichen, bis schließlich wahllose, unwill­kürliche Bewegungsstürme den gesamten Körper durch­ziehen. Diese Bewegungen nehmen zu, wenn der Kranke erregt oder nervös ist, während sie im Entspannungszustand abnehmen. Im Schlaf sind choreatische Bewegungen eher selten.

Alltägliche Verrichtungen wie An- und Auskleiden, Essen, Schrei­ben oder Gehen werden erst mühsam, später unmöglich. Die Körperhaltung beim Stehen und Gehen ändert sich: er neigt sich nach vorne oder lehnt sich zurück. Wegen gestörter Balance hat der Erkrankte einen schwan­kenden Gang wie ein Betrunkener. Die Füße werden nicht mehr richtig angehoben und er neigt zu unkon­trollierten Stürzen. Er wirkt ruhelos und nervös, wippt mit den Füßen, trommelt mit den Fingern und muss sich sehr bemühen, ruhig auf einem Sessel zu sitzen. Er verliert die Feinabstimmung der Handbewegungen und die Greiffähigkeit lässt nach, so dass er häufig Gegenstände aus der Hand fallen lässt oder zu fest zugreift. Die gesamte Koordination verschlechtert sich.

Später können auch die Zungen- und Schlundmuskulatur betroffen sein. Der Verlust der Kontrolle über diese Muskulatur verursacht massive Sprech- und Schluckstörungen. Der Kranke stößt unwillkürliche Laute aus, die für ihn selbst und für die Umgebung irritierend sind. Die Sprache wirkt abgehackt und wird schließlich unverständlich. Die Atemkontrolle wird mangelhaft, die Luft kann weder angehalten noch kann kräftig gehustet werden. Dadurch wird auch die Nahrungsaufnahme immer schwieriger.

Im späten Krankheitsstadium kommt es neben den massiven motorischen Störungen zu Rollstuhlangewiesenheit, Bettlägerigkeit, und wegen fehlender Kontrolle über Blase und Darm zu Inkontinenz.

Bei einer Minderheit von Patienten (etwa 5 Prozent) findet man, im Unterschied zum klassischen Bild der choreatischen Bewegungen, eine zunehmende Muskelversteifung und Bewegungs­hem­mung. Hier ähneln die neuro­logischen Symptome denen der Parkinson-Krankheit. Die emotio­nalen und psychiatrischen Störungen gleichen jedoch denen der älteren Huntington-Patienten.

Viele Erkrankte haben ein verändertes Schmerzempfinden. Dies zeigt sich z.B., wenn der Kranke nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung fühlen kann, wie heiß oder kalt etwas ist. Verbrennungen durch Zigaretten, Trinken von zu heißen Getränken und Duschen mit zu heißem Wasser werden nicht als Schmerz empfunden und nicht oder kaum gespürt. Dadurch können ernsthafte Verletzungen entstehen, die dann allerdings als schmerz­lich empfunden werden.